Anonymes Hinweisgeberportal in der Steuerverwaltung einführen!
Steuerhinterziehung ist eine Straftat zulasten des Gemeinwesens und damit auch zulasten all der Bürger*innen, die ihre Steuern ordnungsgemäß bezahlen – einzelne Personen bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit. Steuerhinterziehung richtet jährlich einen Milliardenschaden am Gemeinwohl an und forciert somit soziale Ungleichheit. In Deutschland werden jährlich Steuern im Umfang von schätzungsweise 50 Milliarden Euro hinterzogen. In Bremen hat die Steuerfahndung 2020 rund 27 Millionen Euro an Mehrsteuern durch Steuerhinterziehung aufgedeckt, bundesweit waren es knapp 3,29 Milliarden. Das fehlende Geld würde dringend benötigt, u. a. in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz.
Bei der Aufdeckung von Steuerbetrug ist der Staat auf Hinweise aus der Bevölkerung ange-wiesen. Im Rahmen des Projekts „Finanzamt der Zukunft“ (FiZ) hat die baden-württembergische Steuerverwaltung im August 2021 das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter eingeführt. Eine erste Bilanz hat lt. des baden-württembergischen Finanzmi-nisteriums ergeben, dass der neue Meldeweg Vorteile gegenüber den „analogen“ Hinweisen hat, die keine Rückfragen zulassen. Ein solches System bietet Bürger*innen einen sicheren Kommunikationsweg, um Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze anzuzeigen, und sorgt somit für mehr Steuergerechtigkeit. Daher sollte auch in der bremischen Steuerverwaltung ein anonymes Hinweisgeberportal eingerichtet werden.
Bereits jetzt werden regelmäßig anonyme Anzeigen durch die Bremer Steuerfahndung entgegengenommen. Zu diesem Zweck gibt es eine eigens dafür eingerichtete E-Mail Adresse so-wie ein sogenanntes Bereitschafts-Telefon. Diese Kommunikationswege bergen jedoch den schwerwiegenden Nachteil, dass es der Steuerverwaltung nicht möglich ist, Rückfragen zu stellen. Häufig fehlen nach der ersten Meldung relevante Informationen. Ein webbasiertes, anonymes Hinweisgebersystem ermöglicht hingegen, eine potentiell notwendige Kommunikation in beide Richtungen, ohne dass die Anonymität der hinweisgebenden Person darunter leidet.
Der Zugriff auf personenbezogene Daten ist bei einem anonymen Hinweisgebersystem ausgeschlossen. Die IP-Adresse der/des Hinweisgeber*in wird verschlüsselt und bekommt einen kryptischen Namen zugewiesen. Über diese anonymen Daten kann sich die entsprechende Person jederzeit wieder einloggen und über ein digitales Postfach kommunizieren.
Im Vordergrund steht hierbei ausdrücklich nicht, Nachbar*innen anzuschwärzen, vielmehr geht es um relevante Fälle des Steuerbetrugs. Zwar ist die Steuerverwaltung gesetzlich verpflichtet, einer Anzeige nachzugehen, jedoch nur, sofern diese ausreichend Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat enthält. Ein einfacher Hinweis genügt hier nicht. Sämtliche Verdachtsäußerungen müssen gut begründet belegt werden. Um möglichst gehaltvolle Hinweise zu erhalten, müssen auf dem Portal Pflichtfelder vorgegeben werden, die zwingend ausgefüllt werden müssen, um eine Anzeige absenden zu können.
Um Hinweisgeber*innen besser zu schützen, hatten das Europäische Parlament und der Eu-ropäische Rat im Jahr 2019 die EU-Whistleblower-Richtlinie erlassen. Sie ist am 16. Dezember 2019 in Kraft getreten und sollte bis Ende 2020 auch in Deutschland umgesetzt werden. Bisher steht diese Umsetzung noch aus. Die Einführung eines anonymen Hinweisgeberportals in der bremischen Steuerverwaltung stellt fraglos eine erhebliche Verbesserung des Whistleblower-Schutzes dar.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. ein webbasiertes, anonymes Hinweisgebersystem nach baden-württembergischen Vorbild in der bremischen Steuerverwaltung einzurichten, das es Bürger*innen ermöglicht, sicher und diskret Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze zu melden;
2. dem staatlichen Haushalts- und Finanzausschuss innerhalb eines Jahres nach Beschlussfassung über den Stand der Umsetzung zu berichten.
Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Arno Gottschalk, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Klaus-Rainer Rupp, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE