Neubau der Berufsschule für den Großhandel, Außenhandel und Verkehr

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Am 4. Juli 2017 hat der Senat beschlossen, für die Berufsschule für den Großhandel, Außenhandel und Verkehr (BS GAV) notwendige neue Schulgebäude bevorzugt in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) zu errichten. Grundlage für den Beschluss waren Handlungsoptionen, die von der „Beratungsgesellschaft für Behörden VBD“ erarbeitet wurden. Die zuständige Deputation für Kinder und Bildung wurde auf ihrer Sitzung am 6. September 2017 über das Vorhaben unterrichtet.

In der Stadt Bremen wäre dies nicht das erste Schulgebäude, welches in ÖPP errichtet wird. Auch die im Jahre 2003 beschlossene Erweiterung des Schulzentrums Rockwinkel um eine gymnasiale Oberstufe wurde per ÖPP durchgeführt. Damals wurden die Baukosten per ÖPP pauschal als 10 % niedriger angesetzt als bei einem Eigenbau, sodass das Projekt insgesamt kostengünstiger erschien. Der Landesrechnungshof kritisierte in seinem Jahresbericht von 2007 diese pauschale Annahme als nicht sachgerecht. Er kritisierte außerdem, dass der Senat von Anfang an auf eine ÖPP-Lösung gesetzt hatte und somit die Berechnung an den politischen Willen angepasst wurde. Insgesamt kam der Landesrechnungshof zu dem Ergebnis, dass das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war und stellte Kriterien für die Vergabe von Bauvorhaben in ÖPP auf.

Mit seinem kritischen Votum steht der Landesrechnungshof nicht allein da. 2011 veröffentlichten die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder gemeinsam einen Bericht, der umfangreiche Mängel bei der Vergabe von Projekten in ÖPP feststellte. Darüber hinaus gibt es inzwischen mehrere Studien, die zu dem Schluss kommen, dass bei ÖPP häufig Mehrkosten anfallen und die Bauzeit länger ausfällt, unter anderem hat sich die Friedrich-Ebert-Stiftung in diese Richtung geäußert.

Trotz allem setzt auch der Bund zunehmend auf ÖPP. Anfang Juni 2017 wurden im Bundestag und Bundesrat Grundgesetzänderungen beschlossen, welche nicht nur im Verkehrsbereich weitreichende Privatisierungen möglich machen. Die parallel zur Grundgesetzänderung beschlossene Neufassung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes (KInvFG) zur Konkretisierung der Änderung des Grundgesetzartikels 104c sieht in § 13 ausdrücklich auch die Förderung von Schulsanierungen in ÖPP vor. Verfassungs- und Gesetzesänderungen erfolgten auf Grundlage des Berichtes einer beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie eingesetzten Expertenkommission unter dem Vorsitz von Prof. Marcel Fratzscher. Der Bericht schlägt neben den Privatisierungen der Autobahnen auch Infrastrukturgesellschaften für Kommunen vor, die bei der Umsetzung von ÖPP helfen sollen.

Wir fragen den Senat:

1. Hat der Senat den „Gemeinsamen Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder“ aus dem Jahr 2011 zur Kenntnis genommen und wie stellt der Senat sicher, dass die dort gegebenen Verfahrenshinweise in Bremen bei der Verwirklichung von ÖPP-Projekten umgesetzt werden?
2. Hat der Senat die Studie „Finanzierung kommunaler ÖPP-Projekte“ von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und den dazugehörigen Verfahrensleitfaden zur Kenntnis genommen und hat der Senat in seine Vergabepraxis Anregungen aus dem Leitfaden übernommen?
3. Wie bewertet der Senat die Grundgesetzänderungen, welche Anfang Juni 2017 vom Bundestag bzw. Bundesrat zur Vereinfachung von ÖPP-Projekten beschlossen wurden und in diesem Zusammenhang insbesondere die nun im KInvFG §13 geschaffene Möglichkeit der Förderung von Schulbauten in ÖPP?
4. Gibt es bereits konkrete Planungen, mit Fördermitteln nach KInvFG Schulbauten in ÖPP durchzuführen?
5. Wie steht der Senat zum Vorschlag der Fratzscher-Kommission, eine Infrastrukturgesellschaft für Kommunen zu schaffen?
6. Hält der Senat ÖPP allgemein für ein Zukunftsmodell, um die anstehenden Neubauten im Schulbereich durchzuführen oder handelt es sich bei der Vergabe des Neubaus der BS GAV in ÖPP um eine Einzelfallentschei-dung?
7. Wie kommt die VBD-Beratungsgesellschaft bei ihrer Bewertung der Handlungsalternativen für den Neubau der BS GAV zu dem Ergebnis, dass die beiden ÖPP-Varianten um ca. 10 % günstiger sind als ein Bau durch die Stadt?
8. Wie unterscheidet sich die jetzt angenommene pauschale Reduzierung der Baukosten bei einer ÖPP-Realisierung von den Annahmen, die 2005 beim Erweiterungsbau des Schulzentrums Rockwinkel vorgenommen und vom Landesrechnungshof kritisiert wurden?
9. Wie wurde angesichts der Kritik des Landesrechnungshofes am Verfahren beim Neubau am Schulzentrum Rockwinkel in den Jahren 2005 bis 2007 diesmal sichergestellt, dass das Verfahren zur Entscheidungsfindung und die Berechnungen, aufgrund derer eine Entscheidung getroffen wurde, ordnungsgemäß waren?
10. Wie stellt der Senat sicher, dass die vom Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2007 getätigten Verfahrensvorgaben für die Vergabe von Bauprojekten in ÖPP beim Neubau der BS GAV berücksichtigt werden?
11. Wie kommt die VBD-Beratungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass bei den ÖPP-Varianten für einen Neubau nur drei bis vier Jahre bis zur Fertigstellung benötigt werden, und wieso rechnet man im Gegensatz dazu mit fünf bis sechs Jahren bis zur Fertigstellung, wenn Immobilien Bremen (IB) auf stadteigenem Grundstück bauen würde?
12. Wie unterscheiden sich die vergaberechtlichen Vorgaben, wenn die Stadt selber Bauherr ist im Vergleich zur Vergabe in ÖPP?
13. Wie schätzt der Senat das Risiko des Planungs- und Bauprozesses und gegebenenfalls des Betriebs und damit verbunden das Risiko einer Insolvenz des privaten Auftragnehmers ein?
14. Welchen Einfluss nimmt der Senat bei einer Vergabe in ÖPP auf die Fi-nanzierung des Projektes, orientiert er sich dabei am Verfahrensleitfaden der KfW und wie stellt er insbesondere sicher, dass der Baufortschritt planmäßig vonstattengeht, damit der Zins- und Tilgungsplan und damit das verbindliche Finanzierungsangebot der Bank eingehalten und somit das Risiko von möglichen Mehrkosten minimiert wird?
15. Wie stellt der Senat sicher, dass die Finanzierung nicht einen ähnlich großen Anteil am Investitionsvolumen hat wie beispielsweise beim Ausbau der A 1 durch den privaten Autobahnbetreiber A 1 Mobil, bei dem die Fi-nanzierung genauso viel kostete wie der Ausbau selbst?
16. Wie stellt der Senat sicher, dass der private Auftragnehmer für die Instandhaltung des Gebäudes während der Vertragslaufzeit sorgt und nicht aus Gründen der Wirtschaftlichkeit darauf verzichtet?
17. Mit welcher Vertragslaufzeit rechnet der Senat bei der Vergabe in ÖPP?
18. Wie kommt der Senat zu seiner Bewertung, dass das in Frage kommende stadteigene Grundstück nicht so attraktiv gelegen bzw. verkehrstechnisch nicht so gut erreichbar ist?
19. Welche Kosten sind der Stadt Bremen durch die Erstellung von Hand-lungsoptionen für den Neubau der BS GAV durch die „Beratungsgesellschaft für Behörden VBD“ entstanden?
20. Wie setzen sich die 120 000 € zusammen, welche der Senat für das Aus-schreibungsverfahren veranschlagt, durch das ein privater Investor für den Neubau gefunden werden soll, und wieso war es aus Sicht des Senats not-wendig, einen externen Dienstleister mit der Ausschreibung zu beauftragen?
21. Wie setzen sich die 150 000 € zusammen, welche für die Planung des Baus eines Gebäudes auf stadteigenem Grundstück als Alternative benötigt werden?
22. Welche Vertreterinnen und Vertreter des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr, des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, der Senatorin für Finanzen, der Senatorin für Kinder und Bildung sowie von Immobilien Bre-men, Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) sind in der Projektgruppe beteiligt, welche den weiteren Planungsprozess begleiten werden?

Klaus-Rainer Rupp, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE