Mangelhafte Kontrolle der Millionensubvention für die Jacobs University Bremen

Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 erhält die private Jacobs University (vormals International University) in Bremen-Grohn öffentliche Gelder in Form von Darlehen, Hochschulbauförderung und direkten Subventionen zur Deckung von Defiziten im laufenden Betrieb. Über die Jahre summierten sich die Zahlungen des Landes Bremen auf mittlerweile rund 164 Millionen Euro, weitere Zuschüsse und geldwerten Leistungen wurden vom Bund gewährt. Zusätzliche 6 Millionen Euro sollen durch das Land bis 2017 gezahlt werden. Eine bisher nicht beglichener Kredit der Bremer Aufbau Bank in Höhe von 50 Mio. Euro läuft noch bis 2023.

Seit 2013 sind die Subventionen für die Privatuni erstmals an einen umfangreichen Vertrag gebunden (sog. Trilateraler Vertrag zwischen Bremen, JUB und Jacobs Foundation vom 13. November 2013). Darin enthalten sind eine Reihe von sog. „Meilensteinen“, die die Einrichtung erreichen soll, um das strukturelle Defizit abzubauen und sich anschließend selbst aus den laufenden Einnahmen zu tragen. Beispielsweise nennt der Vertrag eine Erhöhung der Studierendenzahlen, eine Erhöhung der Gebühren und einen Abbau des Personals. Bürgermeister Böhrnsen versprach damals, dass es im Rahmen des Vertrages eine „permanente Begleitung und Kontrolle“ der Planzahlen geben werde (Kreiszeitung vom 21.8.2013).

DIE LINKE kritisiert seitdem, dass die vertraglich fixierten „Meilensteine“ regelmäßig und deutlich verpasst werden – die Zahlungen des Landes aber trotzdem weiter fließen. Offensichtlich kann von „permanenter Begleitung und Kontrolle“ von Seiten des Landes keine Rede sein.

Der Landesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht 2016 diese Kritik bestätigt.

Die RechnungsprüferInnen konstatieren:

  • „Die Unterlagen zur Vorbereitung der Sitzungen des Begleitausschusses weisen erhebliche Lücken auf. Seit Mitte des Jahres 2014 hat das Ressort keine schriftliche Analyse zum Umsetzungsstand der im Vertrag vereinbarten Maßnahmen (s. Tz. 287) erstellt. […] Unzureichend dokumentiert sind auch Sitzungsergebnisse und Absprachen.“  (Tz. 294)
  • „Das Ressort hat eingeräumt, die Dokumentation des Controllings habe phasenweise nicht allen Erfordernissen entsprochen, auch weil der zuständige Beschäftigte bei Abwesenheit nicht vertreten worden sei. Für das Controlling des Vertrags habe eine zusätzliche, durch das Finanzressort finanzierte Stelle eingerichtet werden sollen. Dies sei bisher jedoch nicht geschehen.“ (Tz. 296)
  • „Das Ressort analysierte den von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der JUB erstellten Prüfbericht zum Jahresabschluss 2012 und formulierte zu klärende Fragen. Es dokumentierte aber nicht, ob und ggf. mit welchem Ergebnis die Fragen beantwortet werden konnten. Ob es die Jahresabschlussberichte für die Jahre 2013 und 2014 ausgewertet hat, ist den Unterlagen des Ressorts ebenfalls nicht zu entnehmen.“ (Tz. 298)
  • „In ihrem Sonderprüfungsbericht für das Jahr 2013 bescheinigte die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der JUB, sich an die vereinbarten Meilensteine gehalten und die ersten Maßnahmen eingeleitet zu haben. Bei einer Gesamtbeurteilung erscheine es plausibel, dass die Vertragsziele durch die geplanten und bereits eingeleiteten Maßnahmen erreichbar seien. In ihrem Bericht ging die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft jedoch auf einige der im Vertrag festgelegten Maßnahmen nur allgemein ein.“ (Tz. 301)
  • „Der Sonderprüfungsbericht zum Jahr 2014 lag erst Ende September 2015 vor. Der Bericht enthält eine Prüfung zur Plausibilität der Planungsrechnung und geht nicht mehr auf die einzelnen im Vertrag aufgeführten Maßnahmen ein.“ (Tz. 302)
  • „In den Zuwendungsverträgen für 2013 und 2014 ist geregelt, welche Unterlagen die JUB zu welchem Zeitpunkt vorzulegen hat. Da im Ressort nur ein Teil dieser Unterlagen vorhanden war, liegt der Schluss nahe, dass das Ressort nicht konsequent überwachte, ob die JUB diesen Verpflichtungen fristgerecht nachgekommen war.“ (Tz. 306)
  • „Darüber hinaus setzte das Ressort den Zeitpunkt für die Vorlage des Verwendungsnachweises auf den 30. Juni 2017 fest. Damit nahm es sich selbst die Möglichkeit, vor diesem Datum zu beurteilen, ob die JUB die öffentlichen Mittel zweckentsprechend und sparsam verwendet.“ (Tz. 306)

Diese Anfrage dient dazu, das offensichtliche Kontrolldefizit zu beheben und eine „Begleitung und Kontrolle“ auf dem parlamentarischen Wege durchzusetzen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können nicht als Hinderungsgrund bei der Beantwortung dieser Anfrage angeführt werden, weil alle nachfolgenden Fragen vom ‚Trilateralen Vertrag‘ abgedeckt werden (§2 Abs. 2).

Wir fragen den Senat:

1.    Gelten die Ziele, Maßnahmen und Meilensteine aus dem Trilateralen Vertrag von 2013 weiterhin oder wurden sie verändert bzw. angepasst? Falls es eine Anpassung gab: Wann, auf welcher Grundlage, an welcher Stelle und mit welchem Inhalt?

2.    Welche Art von Unterlagen wird im Rahmen des Begleitausschusses zur Kontrolle des Trilateralen Vertrages besprochen? Welche Dokumente (Geschäftsberichte, Wirtschaftsprüfungsberichte, Wirtschaftspläne, Verwendungsnachweise über Zuwendungen, Protokolle von Sitzungen usw.) liegen dem Senat für den Zeitraum seit Vertragsschluss 2013 über die Jacobs University vor (wir bitten um eine vollständige Auflistung mit Titel, Art des Dokuments und Datum)?    

3.    Warum wurden keine jährlichen Verwendungsnachweise vereinbart und warum wurde der zu erbringende Verwendungsnachweis auf den Zeitpunkt 30. Juni 2017 terminiert, also auf ein Datum, zu dem bereits die volle Summe in Höhe von 15 Millionen Euro an die JUB gezahlt sein wird?

4.    Mit welchem Personaleinsatz (Stellenumfang) soll zukünftig ein engeres Controlling und eine lückenlose Dokumentation der vereinbarten Maßnahmen sichergestellt werden?

Umsetzung der ‚strukturellen Maßnahmen‘ im Trilateralen Vertrag

5.    Wie viele Bachelor-Studierende sind an der JUB aktuell eingeschrieben [Vorgabe liegt bei 3 Kohorten à 280 = 840]?

6.    Wie viele Austausch- und Foundation-Year Studierende (Vollzahler) sind aktuell eingeschrieben [Vorgabe liegt bei 40 Austausch-Studierenden pro Semester und 20 Foundation-Year pro Jahr]

7.    Wie viele Graduate-Studierende, also Master- und PhD-Studierende, sind aktuell eingeschrieben [Vorgabe liegt bei 600]?

8.    Welche prozentuale Abweichung gibt es zwischen den Planzielen aus dem Trilateralen Vertrag und dem Studierenden-IST zum jetzigen Zeitpunkt (bitte unterscheiden nach Undergraduate und Graduate-Studierende)?

9.    Ist dem Senat bekannt, dass die Maßnahmen aus Frage 5 bis 7 seit spätestens 2008 in  Geschäftsberichten der JUB angekündigt worden sind, teilweise sogar in ambitionierterer Form, offensichtlich aber nie realisiert werden konnten und welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dieser Tatsache?

10. Wie hoch liegt aktuell die Quote gestundeter oder reduzierter Studiengebühren, die sog. Discount-Rate?

11. Wurde ein System zur individuellen Leistungsallokation und –messung und eine Kostenrechnung für Forschung und Lehre im Sinne einer Deckungskostenrechnung entwickelt und implementiert?

12. Wurden die Studiengänge im Rahmen des Strategieprozesses mit dem Ziel einer Fokussierung und Konzentration bewertet und modular aufgebaut? Wurden die akademisch ausgerichteten Masterstudiengänge in den integrierten PhD-Track überführt? Falls diese Maßnahmen noch nicht realisiert worden sind: bis wann erwartet der Senat eine Umsetzung?

13. Wurde über die vorgenannten kurz- und mittelfristigen Maßnahmen eine Betreuungsrelation von mindestens 16 Studierenden pro Professur erreicht? 

Umsetzung der ‚finanziellen Optimierung‘ im Trilateralen Vertrag

14. Wurden kurzfristige Kooperationen mit lokalen Anbietern für die Vermietung von Räumlichkeiten, etwa in der vorlesungsfreien Zeit, geschlossen oder andere Maßnahmen zur besseren Vermarktung bestehender Infrastrukturen ergriffen?

15. Welche Maßnahmen zur Reduzierung von Ausfallwahrscheinlichkeiten bei gestundeten Studiengebühren (Discount-Rate) wurden ergriffen?

16. Wurden die Gebühren für Miete und Verpflegung vor dem Hintergrund ‚erheblicher Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie‘ wie geplant erhöht?

17. Hat eine Bewertung zur ‚weiteren marktkonformen Erhöhung der Studiengebühren‘ stattgefunden und mit welchem Ergebnis?

18. Wurde ein ganzheitliches Fundraising-Konzept entwickelt, mit dem Ziel Spenden für 100 Stipendien pro Jahr einzuwerben? Wie viele Stipendien sind aktuell vollständig aus externen Spenden finanziert?

Rückzahlung des Kredites der Bremer Aufbau-Bank 

19. Welcher Anteil des Darlehens wurde bisher getilgt und welche jährlichen Tilgungsraten sind im Wirtschaftsplan der JUB vorgesehen?

20. Bis wann soll das Darlehen getilgt sein?

21. Plant der Senat eine Verlängerung der Bürgschaft oder über die Bremer Aufbau Bank eine Verlängerung der Tilgungsfrist über das Jahr 2023 hinaus?

Klaus-Rainer Rupp, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE.<xml></xml>