Krankenhausfinanzierung krisensicher gestalten

Nicht erst die Corona-Pandemie hat einen Großteil der deutschen Krankenhäuser in eine finanzielle Notlage gebracht. Ursächlich hierfür ist nicht zuletzt das derzeitige Finanzierungssystem im stationären Bereich, in welchem somatische Krankenhäuser vorrangig nach erbrachter Leistung (sogenannten Fallpauschalen, auch DRG – Diagnosis Related Groups) bezahlt werden. Erbringt ein Krankenhaus keine Leistungen, bekommt es auch kein Geld. Für die Behandlung eines akuten Herzinfarktes (ohne schwere Komplikationen) erhält ein bremisches Krankenhaus derzeit zum Beispiel 1749,21 Euro. Die Höhe dieser Pauschale ergibt sich aus der Multiplikation des Relativgewichtes der Behandlung mit dem Landesbasisfallwert. Dass Relativgewicht drückt aus, wie kostspielig die Behandlung im Vergleich zu den Kosten einer durchschnittlichen Krankenhausbehandlung (Kosten aller Behandlungen/Anzahl aller Behandlungen) ist. Die Behandlung des akuten Herzinfarktes (ohne Komplikationen) hat gegenwärtig ein Relativgewicht von 0,456, sie ist also günstiger als eine durchschnittliche Krankenhausbehandlung. Über die anschließende Multiplikation mit dem Landesbasisfallwert sollen die Kostensteigerungen im Krankenhausbereich (unter anderem auch höhere Energie- oder Sachkosten) in der Preisbildung berücksichtig werden. Für Bremen liegt der zwischen den Vertragsparteien auf Landesebene ausgehandelte Landesbasisfallwert 2022 bei 3835,98 Euro und damit im Vergleich der Bundesländer im oberen Drittel.

Das Finanzierungssystem stößt sichtbar an seine Grenzen. Während der Corona-Pan-demie wurde dies überdeutlich: Betten mussten zur Behandlung von Corona-Patient*innen freigehalten und planbare Behandlungen verschoben werden. Die resultierenden Erlösausfälle für die Kliniken konnten nur durch umfassende Hilfspakete von Bund und Ländern ausgeglichen werden. Die Hilfsmaßnahmen des Bundes sind zur Mitte dieses Jahres ausgelaufen. Der Großteil der deutschen Krankenhäuser ist jedoch in Folge der Pandemie weiterhin wirtschaftlich angeschlagen. Die Fallzahlen sind immer noch nicht wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie und auf Grund hoher Ausfallquoten von infiziertem Personal müssen immer wieder Betten gesperrt und Behandlungen verschoben werden.

Hinzu kommt in dieser Zeit nun eine neue Krise, welche die Existenz vieler Krankenhäuser in Deutschland bedroht. Die stark wachsenden Energie- und Sachkosten können von den Kliniken nicht einfach durch die Anhebung ihrer Preise, wie in anderen Wirtschaftsbereichen möglich, ausgeglichen werden.

Denn der Rahmen, in welchem auf gestiegene Preise im Krankenhaus reagiert werden kann, ist sehr beschränkt. Zuletzt wurden die Landesbasisfallwerte im Jahr 2021 angepasst und hierbei der Korridor für Kostenanpassungen festgelegt. Damals rechnete man für das Jahr 2022 mit einer Kostensteigerung im Krankenhausbereich von 2,32 Prozent. Im August dieses Jahres lag die Inflationsrate laut statistischem Bundesamt jedoch bei 7,9 Prozent, die Krankenhausgesellschaft Bremens rechnet mit einer Steigerung der Sachkosten von um die 10 Prozent für 2022. Im Rahmen einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts gaben 96 Prozent der befragten Kliniken an, diese Kostensteigerungen nicht aus den Erlösen der Fallpauschalen finanzieren zu können. Für Bremen wird mit einer Unterfinanzierung der Krankenhäuser von etwa 143 Millionen Euro bis Ende 2023 gerechnet.

Ohne einen Ausgleich der Mehrkosten auf Grund der gestiegenen Sach- und Energiepreise sowie der weiterhin andauernden Corona-Pandemie durch die Bundesregierung droht in den Kliniken ein massiver Personalabbau, die Schließung von Betten und im schlimmsten Fall die Insolvenz zahlreicher Kliniken. Zur Abwendung dieses Szenarios müssen kurzfristige Lösung zur Finanzierung dieser Mehrkosten auf den Weg gebracht werden. Zum anderen braucht es eine langfristige Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung, im Rahmen dessen die dauerhafte und auskömmliche Finanzierung der bedarfsnotwendigen Krankenhäuser sichergestellt wird. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die derzeitige Finanzierung über Fallpauschalen reformiert werden muss. Dies wurde auf Bundesebene bereits erkannt, das zeigt die Herausnahme der Kosten für das Pflegepersonal aus dem Fallpauschalen-System oder die geplante Einführung von zusätzlichen Vorhaltepauschalen in der Pädiatrie und Geburtshilfe. Für nachhaltige Verbesserungen ist jedoch eine grundlegende Re-form in der Krankenhausfinanzierung notwendig.

In Zeiten des Klimawandels und der Energiepreiskrise müssen die Krankenhäuser besser aufgestellt werden und selbst einen Beitrag dazu leisten, energieeffizient zu arbeiten. Im Schnitt verbraucht ein Krankenhausbett heute so viel Energie wie ein Einfamilienhaus. Eine Beschleunigung des Wegs hin zu einem klimaneutralen Gesundheitswesen schützt das Klima und entlastet die Einrichtungen angesichts der teuren fossilen Energieträger finanziell. Im Rahmen der Landesinvestitionsmittel und der oben dargestellten Finanzierung mittels Fallpauschalen ist hier aber kein rascher Umbau zu erwarten – obwohl die Zeit drängt. Aus diesem Grund müssen die Krankenhäuser bundesweit dabei unterstützt werden, Klimaschutzmaßnahmen ergreifen zu können.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft (Landtag) beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. sich auf Bundesebene für die Einführung und Umsetzung kurzfristiger Maßnahmen zum Ausgleich der den Krankenhäusern entstehenden Mehrkosten auf Grund gestiegener Sach- und Energiepreise sowie zur Entlastung von anhaltenden und bevorstehenden Einnahmeausfällen durch die Corona-Pandemie einzusetzen;
2. sich auf Bundesebene für die langfristige Umstrukturierung der Krankenhaus-Finanzierung einzusetzen mit dem Ziel, die wirtschaftliche Sicherung aller Krankenhäuser, die zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung benötigt werden, zu gewährleisten; im Rahmen dieses Systems sollten die tatsächlich entstandenen Kosten (inklusive Vorhaltekosten) für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftlich erbrachte Patient*innenversorgung besser berücksichtigt werden; grundsätzlich ist darauf zu achten, dass das neue Finanzierungssystem sowohl die medizinische Qualität fordert und fördert, eine adäquate Bezahlung aller im Gesundheitssystem Tätigen ermöglicht sowie falsche Anreize im Angebot verhindert;
3. sich auf Bundesebene für die zeitnahe Einführung eines Klimaschutzinvestitionskostenfonds für Krankenhäuser einzusetzen, aus dem notwendige bauliche Anpassungen finanziert werden können, um die Energieeffizienz der Krankenhäuser langfristig zu steigern.

Nelson Janßen, Klaus-Rainer Rupp, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Ute Reimers-Bruns, Arno Gottschalk, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Ilona Osterkamp-Weber, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN